PCT 2017: Lake Isabella – Lone Pine Marke: 745 mi/1199 km

Nach 8 Wochen auf dem PCT sind meine Haare lang geworden. Da ich meist an den Wochenenden in einem Ort ankomme, komme ich nie in den Genuss eines offenen Frisörgeschäfts. Nun sitze ich bei einem Barbier und bin daran ihn zu überzeugen, dass er mir die Haare schneidet, auch wenn er seine Dienste nur für Männer anbietet. Er will noch nicht so recht, da er mit Frauenschnitten keine Erfahrung hat. Ich habe Zeit und plaudere etwas mit ihm. Ein Gespräch führte bis anhin noch immer zum Erfolg.

In Lake Isabella war es nicht einfach, am Sonntagmorgen einen Hitch (Autostop) zurück zum Trailhead (PCT) zu bekommen. Dieser Ort war ca. eine halbe Autofahrtstunde vom Trail entfernt. Nach einiger Zeit nahm uns, wir waren zu dritt, ein Vater mit seinem Sohn mit. Sie waren auf dem Weg zum Frühstücken und luden uns auch gleich dazu ein. Für uns war es das zweite Frühstück. Eine willkommene Möglichkeit zum Essen, denn der Hikerhunger ist mittlerweile fast nicht mehr zu bändigen. Nach der Einladung waren wir auf einen weiteren Hitch angewiesen. Sonntag ist ein schlechter Tag, um auf diese Weise forwärts zu kommen. Erst gegen Mittag waren wir auf dem Trail.

Temperaturen erlebte ich in der vergangenen Woche von gefroren am Morgen nach einer kalten Nacht bis ca. 35 Grad Celsius an der Sonne. Die letzte Übernachtung war auf 10’365 feet (3159 müM) bei eher wärmeren Temperaturen. Hier unten im Tal in Lone Pane sind es zurzeit 105 Grad Fahrenheit (40 Grad Celsius) ohne Wind. Schrecklich heiss!

Übrigens, zwischenzeitlich habe ich wieder kurze Haare!

Vor Kennedy Meadows waren wir zu zweit unterwegs und hatten grossen Bärendusel. An einer Wasserstelle erzählte uns ein Hiker, dass ein Bär vor ca. einer Stunde hier sein Essenssack weggetragen hat, während er einige Meter weiter das Wasser aus dem Bach gefiltert hatte. Er zeigte uns Fotos und ein Video. Der Bär schlitze alle Tüten auf und ass den Essensvorrat fast gänzlich.

Der betroffene Wanderer ging weiter, wir füllten unser Wasser auf, assen eine Kleinigkeit und entschieden, hier keine längere Mittagspause wegen dieser Bärenattake zu machen. Kurz bevor wir den Platz verliessen, traf ein älterer Mann ein und wir unterhielten uns einige Zeit. Wie wir am Abend von einem Trailfreund, der im kurzen Abstand zu uns wanderte, erfuhren, wurde der ältere Mann, kurz nach dem wir ihn verlassen hatten, vom selben Bären von hinten angegriffen. Der Bär hatte es nur auf seinen Rucksack abgesehen, sprich auf sein Essensvorrat. Der Bär hat uns wohl beobachtet. Er überviel den Hiker erst, als er alleine war. Er blieb unverletzt, jedoch der Schreck sass in seinen Gliedern. Die beiden Bärattacken wurden der Rangerstation gemeldet. Der Jungbär war dort bekannt. Er wird immer gefährlicher und muss nun leider abgeschossen werden.

Kennedy Meadows ist ein Ort mit wenigen Häusern, diese verteilt auf einige Meilen im Nirgendwo. Dennoch für die PCT Truh-Hiker ein spezieller Ort. Dort beginnt der Aufstieg in die Sierras. Dieses Jahr war er für viele Hiker leider der Abschiedsort vom PCT oder der Anfang vom Ende. Einige meiner Trailfreunde sind nach San Francisco, nach New York oder nach Florida abgereist. Andere waren schon vor mir in Kennedy Meadows angekommen und haben den Trail in die Sierras gewählt. Nach kurzer Zeit mussten einige wegen den gefährlichen Flussdurchquerungen enttäuscht abbrechen. Dies führte zum endgültigen Aus.

Schade! Meine Trailpartnerin seit San Diego, Julia, hat auch San Francisco dem PCT vorgezogen. So formieren sich die Trailgruppen wieder neu. Zu dritt bin ich in Kennedy Meadows nach Lone Pine aufgebrochen.

Wir haben nach allen Informationen, die wir über die Schnee- und Wassersituation in den Sierras erhalten haben, folgende PCT-Route geplant:

Bei Meile 745 haben wir den Trail verlassen. Am kommenden Montagmorgen geht von hier, Lone Pine, ein Bus nach Reno. Dort nach ca. 6 Stunden angekommen, mieten wir ein Auto und fahren nach Ashland in Oregon an der Grenze zu Nordcalifornien. Am Dienstag starten wir dort erneut auf dem PCT bei ca. Meile 1700, nun aber südwärts, und hoffen bei Meile 1197 in der Nähe von Sierra City, ca. Mitte/Ende Juli in die nördlichen Sierras einsteigen zu können und diese vom Norden in den Süden zu besteigen.

Wir gewinnen durch das Flipp-Floppen wichtige Schneeschmelzzeit und hoffen auf weniger Schmelzwasser in den zu durchquerenden Flüssen und erhalten durch das zwischenzeitlich Nord-Süd Wandern evtl. eine neue Sierra-Chance. Natürlich werden auch dann die Risiken abzuklären sein. Sollten wir nach den Sierras-Besteigungen wieder hier in Lone Pine ankommen, geht die Reise zurück nach Ashland und von dort auf dem PCT nordwärts weiter nach Kanada.

Der landschaftliche Wechsel von der Wüstengegend in die Sierras erlebte ich in den letzten drei Tagen. Wie schön war es mehr und mehr Grün, auch Gras! zu sehen und die immer häufiger werdenden Wasserstellen. Keine Rinnsale mehr, richtige Bäche! Das Wasserschleppen für viele Meilen war nicht mehr notwendig.

Lone Pine hat eine Filmgeschichte. Viele der Filmsequenzen in den alten Western wurden hier gedreht. Die Gegend um den Ort hat mit den Massen an aufgetürmten, rötlichen Steinen die notwendige Kulisse.

Bis ich mich wieder melde, kann es etwas länger dauern. Das Höhenprofil von Nordcalifornien zeigt geringere Höhenmeter als in Südcalifornien an. Das bedeutet, dass nun mehr Tagesmeilen gelaufen werden können. Bis anhin waren es durchschnittlich ca. 18 Meilen (29 km).

Mein Hikertempo und die Anzahl Ruhetage waren für mich bis anhin ideal. Ich habe zurzeit keine grösseren Gelenk- oder Sehnenschmerzen. Es zwickt mal da und dort und das Laufen nach dem morgendlichen Aufstehen zeigt sich mühsam, aber eben keine grossen Geschichten. Einige Hiker, die den Trail zu sportlich genommen haben, erleiden gerne einen Ermüdungsbruch in den Füssen oder am Knöchel. So werde ich mit der täglichen Meilenzunahme einen neuen Rhythmus finden, der mein Körper nach der zwischenzeitlichen Muskelzunahme zulässt.

Bearbeitet in St. Andrews /Scotland

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