Unsere Politik am Gängelband der Wirtschaft

In der neoliberalen Schweiz hängt die Politik je länger je mehr am Gängelband unserer Wirtschaft. Unsere vom Volk oder Parlament gewählten Politiker werden direkt von den Interessenvertretern der Wirtschaft gelenkt und können kaum noch agieren sondern immer nur reagieren.

Bereits Alfred Escher – der heimliche König der Schweiz – erkannte nach 1850, dass die noch junge Schweiz eine viel stärkere Regierung brauche. Kaum 30jährig wurde der Jurist damals in höchste Ämter gewählt. Er wurde Staatsschreiber, Nationalrat und später Zürcher Regierungsrat.

Enttäuscht wandte er sich wieder der Wirtschaft zu weil er sah, dass auch er viel zu wenig bewegen konnte. Sein zeitweiliger politischer Weggefährte Bundesrat Stefano Franscini scheiterte ebenfalls. Auch nach über 175 Jahren darbt das politische System Schweiz am notwendigen Durchsetzungs-Vermögen.

Seit 2003 ist in der Schweiz eine gewisse „Diskordanz“ festzustellen die zu einer schweren, politischen Krisenerscheinung führte. Seit der EWR-Abstimmung von 1992 gewann die SVP kontinuierlich an Wähleranteilen. Dies führte zur Forderung nach einer stärkeren Vertretung im Bundesrat. Darüber zerbrach 2003 schliesslich die Zauberformel an der sich seit 1959 die Sitzverteilung in der Regierung orientierte.

Daraus entstand wiederum eine gewisse Instabilität im sonst so stabilen Schweizer System. Es ist eine Instabilität, wie man sie auch in anderen europäischen Ländern beobachten kann, hervorgerufen durch Wahlerfolge von Parteien die sich nur schwer in die Regierungsverantwortung einbinden lassen.

Marine Le Pen, leader of France's Front NationalDas gleichzeitige Erstarken von rechts-­populistischen Parteien in manchen EU-Mitgliedsländern ist ein Beispiel dafür. Beppe Grillo mit seiner 5-Stern-Bewegung in Italien, Marine Le Pen in Frankreich, Geert Wilders in Den Haag, Ukip in Grossbritannien, Syriza in Griechenland oder die N-VA in Belgien. Die erodierende Integrationskraft einer Gruppe von regierungswilligen Parteien schwächt die Handlungsfähigkeit von europäischen Nationalstaaten sehr.

Le Pen kritisiert zum Bespiel regelmässig die «Einmischung» Brüssels, Berlins und Washingtons in der Ukraine, während sie das russische Truppendispositiv an der Grenze geflissentlich übersieht und Putin die «Wahrung des Völkerrechts» zubilligt. Eine solche Verdrehung der Fakten erklärt sich gemäss dem Onlineportal «Slate» mit einer eigentlichen «Magnetwirkung» die Putin auf die europäischen Rechtsaussen-Parteien ausübe.

Die Eurokrise und die schwierige konjunkturelle Situation in vielen EU-Staaten sind natürlich treibende Faktoren für die schlechte Stimmung in der Bevölkerung. Die öffentlichen Mittel sind knapper geworden und eine Minderheit macht die europäische Ebene verantwortlich für die unangenehmen Entwicklungen im eigenen Land. Vor allem in den hoch verschuldeten Ländern hat die Krise die Handlungsmöglichkeiten der nationalen Regierungen stark eingeschränkt.

Die Demokratie ist derzeit in einem ­ sagen wir mal – vorübergehenden Formtief. Doch die Demokratie ist nicht etwas abschliessend Definiertes, vielmehr verändert sie sich dauernd und entwickelt sich weiter. So kommen beispielsweise immer stärker direktdemokratische Elemente in der Diskussion um eine Reform der Demokratie in Europa auf. Die Distanz zwischen Volk und Politik verringert sich was durchaus wiederum auch als populistische Strömung gesehen werden kann. Die Demokratie allgemein erweist sich durchaus als wandlungsfähig und ist noch lange nicht am Ende.

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