Marokko zwischen Moderne und Tradition

Zwischen Marrakech und Quarzazate begegneten uns Kulturen zwischen der Moderne und dem Beginn unserer Zeitrechnung.

Das beste Beispiel sind die verschiedenen Kulturen welche wir in Marrakech und Umgebung erleben durften. Hier der riesige „Speckgürtel“ von modernen Mehrfamilienenhäusern rund um die Medina von Marrakech. Moderne, riesige Kaufhäuser wie das Marjiane oder Hotels wie IBIS mit mehrspurigen Strassen welche die Speckgürtel untereinander verbinden. Der Verkehr ist vergleichbar mit jeder anderen europäischen Stadt inkl. Eselskarren.

Auf der anderen Seite die Medina mit ihren engen Gassen und dem Durcheinander von Gebetshäusern, Wohnhäusern und Geschäften. Das Traditionelle geht unter im Modernen. Wenn Fremdenführer in Rabat mit neuen 4×4 Fahrzeugen in der Farbe weiss noch ein langes weisses Kleid überstreift um die Touristen herumzuführen ist das eben nicht mehr echte Tradition. Hier hat etwas anderes eingehalten.

Die lokalen Märkte etwa ausserhalb von Marrakech spiegeln dagegen die Tradition eher wieder. Ein Bauer gekleidet wie zu Jesus-Zeiten bugsiert ein kräftiges Schaf über die Strasse. Die Arme um den Hals des Schafes geschlungen und der Hinterteil zwischen seinen Beinen macht schliesslich was er will. Der Durchgangsverkehr ist in den Markt integriert. Ein weiterer Bauer will seinen einachsigen Karren über die Strasse schieben. Eingeklemmt im Verkehr mache ich ihm ein Stück des Weges vor mir frei und tatsächlich kann er damit ein kleines Stück weiter gehen. Dann aber muss ich einen kleinen Bogen machen, denn die hinter mir Fahrenden aus einer anderen Welt wollen ja hier weder etwas kaufen noch verkaufen.

Oftmals kommen sich also das Traditionelle und das Moderne einander in die Quere doch es funktioniert noch immer. Einheimische halten die Achtung vor der Obrigkeit hoch. Vielleicht ist gerade die Achtung voreinander grösser als bei uns. So haben wir in den tiefen Schluchten des Haut Atlas-Gebirges manche polizeilichen Strassensperren miterlebt – wo einzig ein über und über mit Schriften übersätes Verkehrsschild das wir nicht lesen können – ankündigt, ein einzelner Ordnungshüter beide Fahrtrichtungen zum Stoppen bringt und alle einheimischen Fahrzeuglenker kontrolliert. Von uns wollten sie jedoch bis anhin nichts.

Manchmal sieht man auch einen modernen Gebäudekomplex einer Kasbah ähnlich, hoch oben in den Bergen auf etwa 1800 müM. Dies ist sicher eine Schule, denn wenig später überholt uns derselbe gelbe Datsun-Personentransporter welcher die Kinder heimbringt. König Mohammed VI will eben auch ein gebildetes Volk. Uebrigens solche Schulhäuser für Knaben und Mädchen sind über das ganze Land verteilt.

Auf dem Pass Tizi-n-Tichka auf 2260 müM hoch gelegen – wo wir den aufkommenden Hunger stillten – kam ein etwa 40 jähriger westlich gekleideter Händler und wollte eine Steinstatue verkaufen. Er war zwar etwas aufdringlich, doch als wir zu essen anfingen verzog er sich. Dann fing er an zu betteln. Zuerst suchte er bei uns Nahrung, dann einen Kugelschreiber und schliesslich Aspirin. Dieser Händler schwankt noch zwischen Tradition und den modernen Touristen. Die Ueberfluss-Gesellschaft wie in Marrakech ist noch nicht zu ihm hochgedrungen.

Die Fahrt der 182 km von Marrakech über den Pass Tizi-n-Tichka bis Tazantuote auf den Camping „Le Tissa“ dauerte etwa 6 Stunden. Im 2. bis 3. Gang ging es durch Schluchten, Pässe, Dörfer und Hochebenen auf meist schlechten und engen Bergstrassen hoch und dann wieder runter. Die abwechslungsreiche Fahrt wird zwar nie langweilig doch fehlt es ihr an eigentlichen Höhepunkten. Schliesslich ist dies die einzige Strasse zwischen Marrakech und Quarzazate sieht man von verlassenen dunkeln Berberdörfern etwas abseits ab. In den neuen Dörfer sind Frauen auch heute noch daran ihre Wäsche im nahen Bach zu waschen und auf Steinen zu trocknen.

Das Weiss der nahen 4000er Berge des HAUT ATLAS kontrastiert gewaltig mit dem vorwiegend rot bis braun, manchmal sogar violett gefärbten Gestein des Gebirges.
Hier auf dem 1270 müM hoch gelegenen, modernen Camping „Le Tissa“ (Koordinaten 30.97487 -7.09763) übernachteten wir inmitten mehrheitlich ruhigen Franzosen welche selbst ihren Smart, Motorrad oder kleinen Citroen mit einem normalen Camper mitschleppen.

Über muck

Senior Projektleiter mit Freude am Sport
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