Ministerpräsident Erdogan politisch abseits von Atatürk, Staatspräsident Gül und dem Volk

Die Säuberungswelle in der türkischen Polizei und Justiz geht weiter. Statt neue Reformen in Angriff zu nehmen, setzt Erdogan im Stil der früheren Eliten auf Besitzstandswahrung. Damit gefährdet er die Erfolge seiner langen Regierungszeit.



Im Zuge der Korruptionsaffäre in der Türkei hat die Regierung am Mittwoch die Polizeichefs von sechzehn weiteren Provinzen versetzt. Betroffen sind unter anderem Grossstädte wie Ankara, Izmir, Antalya und Diyarbakir. Auch der stellvertretende Chef für nationale Sicherheit wurde abberufen, wie die Nachrichtenagentur Dogan weiter berichtete.

Ein Sprecher des EU-Erweiterungskommissars Stefan Füle forderte die Regierung in Ankara erneut auf, Massnahmen zu ergreifen um sicherzustellen, dass Behauptungen über Fehlverhalten ohne Benachteiligung oder Bevorzugung transparent und unparteiisch aufgeklärt würden. Er verwies darauf, dass die Türkei sich als Kandidatenland für einen EU-Beitritt zur Einhaltung politischer Kriterien einschliesslich der Rechtsstaatlichkeit verpflichtet habe. Alle Beschuldigungen müssten daher eingehend von einer unabhängigen Justiz untersucht werden.

Atatürk Gül Erdogan

Atatürk – Gül – Erdogan

Sie haben gemeinsam islamische Frömmigkeit und Demokratie versöhnt und dem türkischen Staat einen Teil seines autoritären Charakters ausgetrieben.

Spätestens seit den Protesten im vergangenen Sommer ist freilich klar, dass Staatspräsident Abdullah Gül und Ministerpräsident Recep Tayip Erdogan politisch nicht mehr auf einer Linie sind. Während Gül seinerzeit einen friedlichen Ausgleich mit der Protestbewegung suchte, setzte Erdogan auf Tränengas und die Mobilisierung der Ängste seiner Anhänger.

Nun ist der Staatspräsident auch im Korruptionsskandal auf Distanz zu seinem Parteifreund gegangen. Eine Demokratie bestehe aus Regeln und Institutionen die auf der Gewaltenteilung basierten, erklärte Gül in seiner Neujahrsbotschaft. «Wir haben gemeinsam die Pflicht, alles zu vermeiden, was der Unabhängigkeit und Überparteilichkeit der Justiz schaden könnte.»

Eigentlich eine Selbstverständlichkeit auch für Ministerpräsident Erdogan – sollte man meinen.

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