Drei lohnende Wanderungen rund um Zernez

Zernez im Engadin ist eben nicht nur Ausgangspunkt zum Nationalpark sondern bietet selbst Wanderungen mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden an.

Angefangen beim einfachen Rundwanderweg (1) über „Clüs“ (1614 müM) und „Sivü“ (1775 müM) zurück nach Zernez (1473 müM) in etwa zwei bis drei Stunden.

Muottas da Clüs

Muottas da Clüs

Ausgangspunkt ist die Fahrstrasse unmittelbar am nördlichen Dorfende Richtung „Susch“ mit einer Strassengabelung (1487 müM) nach Clüs und Sivü. Diese Fahrstrasse endet dann abrupt auf einer kleinen Alpweide auf 1775 müM eben dem heutigen Ziel unserer Wanderung Sivü. Hier hat man schon das Tagesziel erreicht und tritt nun in südlicher Richtung gemütlich auf gleicher Höhe wandernd bereits den Heimweg an. Unterwegs hat es unterhalb des „Ils Lavinars“ auf etwa 1800 müM eine Bank mit wunderbarer Aussicht ins Tal.

Wenig später überquert man bei 1776 müM den „Val Gondas“ Bach welcher im Frühsommer meistens noch mit einem Lawinenkegel vom „Munt Baselgia“ belegt ist. Gegen Abend – unmittelbar oberhalb Zernez lädt eine weitere Bank zum Marschhalt ein. Besonders eindrücklich ist hier die Sicht auf die Kirche und das Dorf im abendlichen Streiflicht.

ZernezMit etwa 700 Höhenmetern beginnt eine weitere Rundwanderung (2) am südlichen Ende von Zernez an der Hauptstrasse Richtung Oberengadin. Südlich der Flüsse „Spöl“ und „En“ (Inn) bei „Mantè“ steigt ein Fussweg links weg allgemeine Richtung „Mutaröl“. Nach der Bahnunterführung geht es stetig aufwärts. Anfänglich gemächlich dann immer steiler bis zur Abzweigung nach „Brail“. Hier nach Punkt 1819 verläuft der Wanderweg etwa auf gleicher Höhe Richtung Nord-Ost bevor eine weitere Steilstufe uns bis auf 2120 müM hinaufführt.

Von hier aus verläuft die Wanderung knapp innerhalb der Grenzen des Nationalparks. Wer Lust verspürt geht in südlicher Richtung bis zum 2579 Meter hohen „Mutaröl“. Wir aber steigen in nordöstlicher Richtung bereits wieder etwas ab und kommen nach kurzer Zeit der Nationalparkgrenze entlang wandernd zur Unterkunftshütte „Bellavista“.
Die einfache „Chamanna Bellavista“ auf 2039 müM kann gemietet werden. Telefon 0041 856 16 54 / +41 79 675 54 36 geben Auskunft über Preis und offene Termine.

Nach der Hütte steigen wir erneut ab. Ausserhalb der Nationalparkgrenze wandernd über „Prasüra“ nach „Pra da Punt“ hinunter zur Brücke an der Ofenpasstrasse über den „Spöl“ auf 1485 müM. Der dortige Parkplatz ist übrigens meistens Ausgangpunkt einer weiteren Wanderung zur Nationalparkhütte „Chamanna Cluozza“.

Die dritte und nach meiner Meinung schönste Tour (3) hat ihren Ausgangspunkt auf der „Punt d’En“ im Westen von Zernez. Gleich nach der Brücke über den Inn rechts abzweigend verläuft der Wanderweg zur „Alp Munt“ in nördlicher Richtung auf einer guten Fahrstrasse zum „Plan da Chavos“. Dort geht es in einen Weg über welcher im Wald oder auch an sonnigen Abschnitten abwechselnd steil Richtung Alp verläuft.

Auf der „Alp Munt“ auf 1987 müM blickte uns gestern eine Mutterkuh aus einer Gruppe Ihresgleichen aufmerksam entgegen. Weil ich inmitten der Herde ein neugeborenes Kalb sehe veranlasst sie mich kurz vom Weg abzuweichen. Ein anderes Rind säuft gierig direkt vom Wasserhahn des Brunnens. Die übrige Herde um die Wasserstelle grasen ruhig weiter. Beim Eingang zur Hütte diskutieren ein Jäger und der Älpler mit nacktem Oberkörper. Ein kurzes „Bundi“ unsererseits unterbricht das Gespräch kurz was aber vermutlich der uns den Rücken zuwendende Jäger überhört haben dürfte. Kaum hatten wir ihn passiert, hören wir auch den Jäger uns noch grüssen. „Bundi“ tönt es unüberhörbar in unserem Rücken.

Unsere Blicke sind bereits auf die junge Frau mit ihrem Kind bei der Hütte gerichtet weil sie uns ebenfalls grüssten. Beide waren mit einem Bikini bekleidet, das Kind mit freiem Oberkörper. Anfangs September scheint auf der Alp eben noch Badestimmung zu herrschen.

Nach einer weiteren Geländestufe aufwärts wechselt unsere Marschrichtung von West nach Süd. Zwischen Punkt 2084 und 2130 wandern wir über die Obere Alp und überqueren zuerst den nördlichen Zufluss welcher ins „Val Schivo“ fliesst und dann einen weiter südlich liegenden Bach ins gleich Tal. Beim ersten wird unsere leere Wasserflasche mit frischem Wasser gefüllt, damit wir auch noch an unserem Tagesziel genügend Tranksame haben denn nach der Überquerung des zweiten Baches steigt der Wanderweg nochmals kurz und steil an. Auf „Charbuneras“ – einer kurzen Ebene auf 2200 müM haben wir heute unser Tagesziel erreicht. Hier wird zu Mittag gegessen während wir einen tollen Blick steil hinunter nach Zernez geniessen.

Schon seit über 10 Jahren geniessen wir hier oben die Ruhe und die Abgeschiedenheit. Was uns heute auffällt sind die vielen jungen Lärchen hier auf dieser Ebene welche in den vergangenen Jahren immer grösser geworden sind. Die Waldgrenze verschiebt sich eben stetig etwas nach oben, eine sichtbare Eigenschaft in unseren heutigen Alpen.

Während noch vor 110 Jahren beim Bau der Albulabahn die Strecke rund um den Landwasserviadukt bei Filisur praktisch nur mit Büschen bewaldet war, stieg die Waldgrenze im Engadin bis auf etwa 2300 müM hoch.

Auch die Gletscher am Bernina zogen sich immer weiter zurück. Betrachter man die Vergletscherung des Engadins in einem etwas grösseren Zeitraum, so war vor etwa 10‘000 Jahren der Berninagletscher in Zernez derart mächtig, dass er gar den 2945 Meter hohen „Munt Baselga“ überdeckte und ein Ausläufer über den Ofenpass ins Münstertal hinunter reichte. Ausser „Piz Daint“ oder „Piz Linard“ waren alle anderen Munts mit Eis bedeckt. Damals, während der letzten Eiszeit waren noch keine Menschen hier ansässig und konnten die Umwelt verschmutzen. Trotzdem hat sich die Erde stets erwärmt und schreitet immer schneller voran bis einmal ein eisenhaltiger Meteorit von ein paar Kilometern Durchmesser vielleicht mit unserem Planeten Erde zusammen stösst, sie aus der Bahn wirft und das Leben völlig verändert wenn nicht gar verunmöglicht.

Wir alle Menschen haben heute das Wissen, welche solche Szenarien vorhersehbar machen und nicht mehr nur dem Glauben an einen Übermächtigen überlassen. Selbst der Bundesrat wird mit dem Ausstieg aus der Atomenergie oder einer noch höheren CO2-Abgabe diese Entwicklung nicht verhindern können. Wir alle werden irgendwann das gleiche Schicksal erleben. Wann und wie das sein wird – wir wissen es nicht!

Nach meiner Exkursion in die Erdgeschichte müssen wir den herrlichen Platz auf 2200 müM für heute verlassen und die 800 Höhenmeter wieder hinabsteigen. Auf dieser Höhe ungeschützt zu Leben ist nur für Tiere wie Gämsen oder Hirsche möglich. Sie finden an den jungen Bäumen genügend Nahrung auch im Winter hier zu leben wenn sie nicht vorher von uns Menschen abgeschossen werden. Diese Wahrscheinlichkeit ist für das Tier gerade jetzt während der herrschenden Jagd weit realer als der Untergang von uns Menschen durch einen Asterioden zu sterben.

Im Talboden – unweit des Ins – treffen wir auf den Bücherkasten der „Biblioteca“. Realer Durst lässt uns die Ruhebank und die geistige Nahrung vergessen und schnellsten kehren wir über die Punt d’En an unseren Ausgangspunkt in Zernez zurück.

[mp3j track=“La-Montanara.mp3″ autoplay=“y“]

Über muck

Senior Projektleiter mit Freude am Sport
Dieser Beitrag wurde unter Engadin, Erdgeschichte abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.