Irland: Der einst „keltische Tiger“ wird zum „kränkelnden Kater“

Bis Ende Juni hatte Irland noch die Ratspräsidentschaft der EU inne. Die eigentliche Agenda „Stabilität und Wachstum“ steht aber längst nicht mehr im Mittelpunkt. Im Zuge des G8-Gipfels gilt die Aufmerksamkeit den Offshore-Geschäften. Irland spielt dabei eine zwielichtige Rolle.

Hinter Backsteinhäusern im georgianischen Stil thront das Google Headquarters in der Barrow Street, ein imposanter Glaskomplex auf schwarzen Pfeilern. Von hier aus lenkt der Konzern sein Europa- und Asiengeschäft. Auf der Homepage teilte der Konzern mit, man habe Dublin als Standort gewählt, weil es die „richtige Kombination aus Infrastruktur zu entwickelndem Land hat.“

googles-european-headquarters-dublinDie wahren Gründe liegen jedoch woanders. Google zahlt in Irland kaum Steuern. Im Zeitraum zwischen 2006 und 2011 wies der Internetgigant in Grossbritannien nach einem Bericht der „Irish Times“ einen Umsatz von 18 Milliarden britischen Pfund aus, führte aber nur 12 Millionen Pfund an den Fiskus ab. Das entspräche einem Steuersatz von gerade einmal 0,07 Prozent. Mittels ausgefeilter Firmen- und Finanzkonstruktionen wie dem „Double Irish“ soll der Grosskonzern seine Gewinne an nationalen Finanzämtern vorbeischleusen und nach Irland kanalisieren.

Seit Wochen steht auch Apple nicht nur in den USA wegen seiner aggressiven Methoden zur Steuervermeidung am Pranger. Mit der Gründung von zahlreichen Tochterfirmen in Irland mindert der US-Technologiekonzern demnach seine Abgaben an den Fiskus um mehrere Milliarden Dollar.

Rund 4’000 Personen, die meisten Ausländer arbeiten für Apple in der Region Cork. Ihre Gehälter liegen offenbar weit unter dem Durchschnittslohn den der Konzern sonst zahlt. Premierminister Enda Kenny betonte zwar, das Land sei „keine Steueroase“. Doch mit 12,5 Prozent hat Irland nach wie vor den niedrigsten Unternehmenssteuersatz aller OECD-Staaten. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück mahnte das Land, seine Steuerbasis zu verbreitern.

Die irische Fiskalpolitik ist ambivalent: Auf der einen Seite nutzen multinationale Konzerne wie Apple oder Google Steuerschlupflöcher. Auf der anderen Seite schaffen gerade diese Unternehmen kaum Arbeitsplätze. Irland ist in hohem Masse von ausländischen Kapitalzuflüssen abhängig. Die grüne Insel hat kaum Produktionskapazitäten, das Gros des Landes ist agrarisch geprägt. Die Landwirtschaft wird mit EU-Geldern üppig subventioniert.

Ein Mitarbeiter von Apple lässt im Gespräch mit einer Zeitung Dampf ab: «Ich bin in Dänemark aufgewachsen. Bei uns zahlt man 50 Prozent Steuern. Also ja, ich glaube, man sollte Steuern zahlen», sagt ein Mann, der mit dieser Äusserung die Weisung von Apple bricht, nicht mit Journalisten zu sprechen. «Ich finde es unfair, Apple zahlt ein Prozent Steuern hier in Irland, das ist einfach lächerlich.»

Auch in der Schweiz arbeiten Apple-Firmen mit zum Teil umstrittenen Steuerstrategien. Demnach zahlen die Apple Retail Switzerland GmbH und die Apple Switzerland AG in der Schweiz kaum Steuern. Letztere zeigte für das Steuerjahr 2010 einen Reingewinn von 6’458’700 Franken auf. Glaubt man Branchenkennern, müsste Apple in der Schweiz jedoch grob geschätzt einen Gewinn von über 200 Millionen Franken versteuern.

Dass Irland vom Armenhaus Europas zum „keltischen Tiger“ aufstieg und nun zum „kränkelnden Kater“ verkommt hat die EU mit ihren Subventionen überhaupt erst möglich gemacht. Gleichwohl: Die Krise macht auch vor der Provinz nicht Halt. Die Gemeinden haben ihre Budgets zusammengestrichen, landesweit liegt die Arbeitslosenquote bei 14 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit sogar bei 35 Prozent. Im Mai dieses Jahres waren in Irland 426 900 Menschen arbeitslos gemeldet. Allein im Bausektor gibt es 100 000 Arbeitslose.

Um die Wirtschaft wieder anzukurbeln, hat die irländische Regierung jetzt ein 6,4 Milliarden Euro teures Investitionsprogramm auf den Weg gebracht. Das Geld soll in Schulen, Krankenhäuser und Strassen gesteckt werden. Der „Ireland Strategic Investment Fund“ speist sich aus Sparreserven eines Pensionsfonds, sozusagen der letzte „Penny“ des Landes. Als eine „Alles-oder-nichts-Wette“ bezeichnete die Tageszeitung „Irish Independent“ diese Massnahme. Offen ist, ob die Rechnung aufgeht. Ein altes irisches Sprichwort sagt: „If you do not sow in the spring you will not reap in the autumn.“ Wenn du nicht im Frühjahr säst, wirst du im Herbst auch nichts ernten!


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