Babuschka’s in Zypern, Zug und Zürich?

Aus dem „Tagesanzeiger“ Woche 13:
Demokratie-DiktaturZypern ist ein Steuerparadies für Oligarchen. Dass die Schweiz jetzt in unangenehme Nähe zur bankrotten Mittelmeerinsel gerät, hat sie russischen Milliardären wie etwa Viktor Vekselberg, Filaret Galchev oder Gennadi Timtschenko zu verdanken, die Zypern und die Schweiz gleichermassen für die Steueroptimierung ihrer Geschäfte nutzen.

Russlands Zementzar Filaret Galchev hält gut 10 Prozent an Holcim und ist damit nach Thomas Schmidheiny zweitgrösster Aktionär des global operierenden Schweizer Zementkonzerns. Gehalten wird Galchevs Holcim-Beteiligung von der Eurocement Holding in Zürich, die ihrerseits einer anderen Holding auf Zypern gehört. Letztere wird kontrolliert von einer Finanzgesellschaft auf den britischen Jungferninseln in der Karibik, die Galchev gehört.

Das Prinzip der russischen Puppe Babuschka hat Viktor Vekselberg mit seinen Schweizer Industriebeteiligungen noch weiter getrieben. So wie man in jeder Babuschka eine immer noch kleinere Puppe findet, so führt etwa die Verbindung von Vekselbergs Beteiligung von 48,8 Prozent an Oerlikon zu drei Beteiligungsvehikeln und über komplizierte Wege zum Oligarchen selbst.

Babuschka-Prinip

Babuschka-Prinip

Im Fall des Oerlikon-Beteiligungsvehikels Liwet AG etwa geht die Reise vom Bleicherweg in Zürich über Briefkastenfirmen in Zypern und mehrere Zwischenstationen in der Karibik zu Vekselberg in Zug. Und seine Beteiligung von knapp einem Drittel an Sulzer hält Vekselberg teilweise über die gleiche Liwet AG in Zürich und dieselben Zwischenstationen auf Zypern.

Der Umweg über Zypern war wegen des enorm Abgaben sparenden Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Mittelmeerinsel und Russland in den letzten Jahren lukrativ. Dass grosse Beteiligungen an Schweizer Industriekonzernen über Firmen auf Zypern gehalten werden, könnte Begehrlichkeiten wecken – die Anteile der beiden Oligarchen an Holcim, Sulzer und Oerlikon sind Milliarden von Franken wert.

Noch ist nicht im Detail klar, auf welchen Vermögenswerten reicher Russen Zypern Zwangsabgaben erheben wird. Es sei durchaus denkbar, dass die Inselregierung nicht nur auf Bankguthaben die Hand legen werde, sondern auch auf Beteiligungen, sagt ein Insider. Speziell bei Beteiligungen an kotierten Firmen lasse sich der Wert anhand der Börsenkurse umgehend feststellen.

Mögliche Unbill für die Oligarchen ist das eine. Für die Schweiz ist unangenehm, dass sie in dem Beteiligungsnetz mit drin hängt, das diese über eine Reihe von Steueroasen aufgespannt haben. In der Europäischen Union, die Milliarden von Euro aufwerfen muss, um die Mittelmeerinsel und ihr von den Oligarchen aufgeblähtes Bankensystem zu retten, fällt die Schweiz einmal mehr negativ auf. Der Ärger vieler Politiker in der EU über die Misswirtschaft kann sich auf die Schweiz ausweiten, die erneut als Mitverantwortliche für Milliardenschäden aus Steuern vermeidenden Praktiken ins Visier geraten kann. Dabei ist die Schweiz gegenüber der EU bereits massiv unter Druck wegen Schwarzgeld und angeblich unfairem Steuerwettbewerb.

Die Europäische Union könnte versucht sein, den Fall Zyperns zum Anlass zu nehmen, auch andere Verbindungen in die Schweiz genauer unter die Lupe nehmen. Gunvor etwa, der viertgrösste Ölhändler der Welt, macht sein Hauptgeschäft zwar in Russland. Den grössten Teil seiner Handelsaktivitäten wickelt der Rohstoffriese aber über Genf ab. Und domiziliert ist Gunvor auf Zypern. Von der Zypernkrise sei Gunvor dennoch nicht betroffen, versicherte der russische Milliardär Gennadi Timtschenko als Hauptaktionär umgehend; das Unternehmen habe kaum Vermögen auf der Insel.

Ob und wie weit das wirklich zutrifft, ist kaum abzuschätzen. Zypern dürfte indes auch aufgefallen sein, dass in der Hauptstadt Nikosia domizilierte Finanzgesellschaft Gunvor Finance seit 2011 einen Ableger in Sarnen im Kanton Obwalden hat – die Spuren führen einmal mehr in die Schweiz.

Gunvor ist nur eine von vielen russischen Rohstofffirmen in der Schweiz. Der Fall Zypern kann also dazu führen, dass die EU diesen als Anlass nimmt, den Druck auf die Schweiz mit ihren aus ihrer Sicht unfairen Steuerpraktiken so zu erhöhen, dass der Damm wie beim Schwarzgeld bricht.

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