Erdgeschichte: Die „Kleine Eiszeit“ von 1450 bis 1850

Sonnen-EinstrahlungNach dem Mittelalter folgte bei uns etwa ab dem Jahre 1500 die Neuzeit. Eines der ersten Regelwerke war die Einführung des gregorianischen Kalenders im Jahre 1582 durch Papst Gregor XIII. Er löste im Laufe der Zeit sowohl den julianischen als auch zahlreiche andere Kalender ab. Die letzte Umstellung auf den gregorianischen Kalender erfolgte in China 1949.

Die Kleine Eiszeit war eine Periode relativ kühlen Klimas von Anfang des 15. bis in das 19. Jahrhundert hinein. Sie gilt in der heutigen Klimadiskussion als das klassische Beispiel einer durch kurzfristige Schwankungen geprägten natürlichen Klimavariation. Auch während der Kleinen Eiszeit gab es erhebliche Klimaschwankungen. So stellten zum Beispiel die Zeiträume von 1570 bis 1630 und von 1675 bis 1715 besonders kalte Zeitabschnitte dar.

Als Ursache für die Kleine Eiszeit wurde eine geringere Aktivität der Sonne sowie ein verstärkter Vulkanismus angesehen. Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) kommt jedoch neu durch aktuelle Untersuchungen zum Ergebnis, dass das Ausmass der Strahlungsaktivitäten der Sonne das Weltklima kaum verändert und die Kleine Eiszeit im 16. und 17. Jahrhundert nicht ausgelöst habe. Das Institut belegt zwar mit Aufzeichnungen, dass die Sonne in ihrer Aktivität ab etwa 1600 langsam nachliess. Doch nach Auffassung des PIK wurde die kleine Eiszeit mehr durch Vulkanausbrüche, bzw. Schwefelsäuretröpfchen und Staub in der Luft hervorgerufen.

In Schneeschichten des 13. Jahrhunderts fanden Wissenschafter die Ablagerungen von fünf grossen Vulkanausbrüchen. „Vermutlich haben diese Eruptionen den Wandel zu kälterem Klima ausgelöst„, erklärten sie. Noch konnten die Geochemiker die Spuren keinem bestimmten Vulkan zuordnen. Dafür sei die Kenntnis über Vulkanausbrüche im Mittelalter zu lückenhaft. So bleibe unklar, welche Vulkanausbrüche die Erde abkühlen liessen. Es waren Tausende Tröpfchen Schwefelsäure, welche die historischen Eruptionen verrieten. Bei Vulkanausbrüchen werden Gase in die Luft geschleudert, die sich in der Atmosphäre in Schwefelsäure umwandeln. Dort wirkten die Schwefelsäurewolken wie ein Schirm: Sie blockierten das Sonnenlicht und kühlten die Erde und damit auch die Meere markant ab.

Im Jahre 1783 gab es weitere bedeutende Vulkanausbrüche wie die Eruption des Laki auf Island oder etwas später (1815) des Tambora auf der Insel Sumbawa im heutigen Indonesien. Dieser war im April mit einer Stärke von 7 auf dem Vulkanexplosivitätsindex ausgebrochen und hatte neben ungefähr 150 km³ Staub und Asche auch Schwefelverbindungen, welche auf ein Schwefeldioxidäquivalent von 130 Megatonnen geschätzt wurden.

Im darauffolgenden Jahr 1816 wurden in Nordeuropa und im Osten Nordamerikas Schnee und Frost im Juni und Juli beobachtet. Es folgte ein Jahr ohne Sommer und in Mitteleuropa kam es zu schweren Unwettern. Zahlreiche Flüsse traten über die Ufer. In der Schweiz schneite es jeden Monat mindestens einmal bis auf 800 m Meereshöhe und am 2. und 30. Juli bis in tiefe Lagen.

Die Folge der niedrigen Temperaturen und anhaltenden Regenfälle in Teilen Europas waren katastrophale Missernten. Am stärksten betroffen war das Gebiet unmittelbar nördlich der Alpen: Elsass, Deutschschweiz, Baden, Württemberg, Bayern und das österreichische Vorarlberg. Hier erreichte der Getreidepreis im Juni 1817 das Zweieinhalb- bis Dreifache des Niveaus von 1815. An einzelnen abgelegenen Orten wurde auch das Vierfache bezahlt. In der Zentralschweiz war die Hungersnot besonders gross. Nach Beschreibungen des Frühmessers Augustin Schibig verzehrten die Leute „die unnatürlichsten – oft ekelhaftesten Sachen – um ihren Heisshunger zu stillen“. In Ybrig, in Rothenthurm und in den Berggegenden „haben die Kinder oft im Gras geweidet wie die Schafe“.

Hungertaler

Hungertaler

Insbesondere das Elend in der Ostschweiz veranlasste Zar Alexander I. aus Russland (12.12.1777 bis 19.11.1825 jul.) zu einer Spende von 100.000 Rubeln für Getreidelieferungen. Tausende litten zusätzlich noch unter den Folgen der Napoleonischen Kriege und viele der leidenden Europäer wanderten schließlich in die Vereinigten Staaten aus.

Im weiteren Verlauf rückte die Packeisgrenze wieder nach Süden vor. Eine Entwicklung die Island zeitweise von der Aussenwelt isolierte, wodurch die Einwohnerzahl stark zurückging. Die Klimaverschlechterung gilt als ein möglicher Grund, warum im 16. Jahrhundert die Skandinavische Kolonie auf Grönland erlosch, der um 1300 etwa 3000 Personen angehört hatten. Seit etwa 1850 wurde es in Europa wieder wärmer. Jederzeit wären aber wieder ähnliche Kältephasen möglich: Schon die Eruption des Pinatubo auf den Philippinen 1991 führte im Folgejahr zu einer weltweiten Abkühlung von immerhin knapp einem halben Grad. Drei Ausbrüche dieser Grösse binnen weniger Jahre könnten Simulationen zufolge erneut eine lang anhaltende Kältephase auslösen – womöglich wiederum eine Kleine Eiszeit.

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